Beschreiben Sie Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit und was Sie daran besonders schätzen.
Als Redaktorin im Feuilleton der NZZ bin ich einerseits für Theater zuständig. Wichtige Premieren im In- und Ausland bespreche ich selber. Was nicht von mir wahrgenommen werden kann, übergebe ich auswärtigen Mitarbeitern. Andererseits betreue ich die europäische Romanistik (Literatur, Kulturberichterstattung). In beide Bereiche fallen Preise, Todesfälle, Jahrestage, ausserdem Aktualitäten verschiedenster Art. Während zweieinhalb Jahren war ich Kulturkorrespondentin in Genf und Paris. - Die Kombination von Reisen und Arbeit in der Redaktion ist ideal.
Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?
Nach Abschluss des Diploms für das Höhere Lehramt war mir klar, dass ich nicht unterrichten wollte. Ich begann Bücher zu rezensieren für den Tages-Anzeiger, die NZZ und andere Blätter, stellte im Radio Bücher vor, arbeitete als Verlagslektorin (bei Arche in Zürich) und als "Scout" für Mondadori in Mailand. Journalismus lag mir am meisten. Da in der NZZ ein Theaterkritiker pensioniert wurde, bot man mir seine Stelle an, dazu das Romanistik-Pensum.
Welche Fächerkombination haben Sie an welcher Uni studiert?
An der Uni Zürich studierte ich italienische und französische Literatur- und Sprachwissenschaft. Ein Jahr war ich an der Università degli Studi di Pavia, nach dem Doktorat ein weiteres Jahr am Istituto Svizzero di Roma.
Was hat Sie zu einem Studium der Sprach- und Literaturwissenschaften bewogen?
Nach einem Jahr an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau (Hauptfach Cello) spürte ich, dass mir zur Musikerin das herausragende Talent fehlte. Als grosser Italien-Fan entschied ich mich für Romanistik (obwohl ich im Gymnasium kein Italienisch gelernt hatte – das holte ich aber schnell nach).
Was ist das Wichtigste, das Sie aus Ihrem Studium für Ihre berufliche Tätigkeit mitgenommen haben?
Das Studium bringt solide Fachkenntnis mit sich, Vertiefung, Spezialwissen – eine wertvolle Ressource im schnelllebigen und leider allzu oft oberflächlichen Journalismus.
Welche Tipps geben Sie angehenden Studierenden der Sprach- und Literaturwissenschaft mit auf den Weg?
Wer Sprach- und Literaturwissenschaft studiert, sollte gern und viel lesen sowie Begeisterung aufbringen für alles, was mit dem Fach zusammenhängt. Freude am Schreiben gehört auch dazu – und Hartnäckigkeit, denn Schreiben ist schwer. Das Studium führt nicht auf direktem Weg zu einem Beruf, weshalb Offenheit und Durchhaltevermögen gefragt sind. Am wichtigsten ist das Interesse an der Sache und das Vertrauen darauf, dass eine gute Ausbildung Früchte tragen wird.
Weitere Bemerkungen zu Ihrem Studium, Ihrem Beruf?
Als ich studierte, waren die Verhältnisse im Vergleich zu heute sehr frei: Man wurde weitgehend sich selbst überlassen. Das hatte Vor- und Nachteile. Doch sogar unter Bologna-Bedingungen würde ich dafür plädieren, eigenwillig zu studieren, persönliche Interessen in den Vordergrund zu stellen, im Rahmen der Möglichkeiten individuelle Wünsche zu formulieren und zu realisieren, den Kontakt mit Lieblingsdozent/innen zu suchen. Auch professionelle Kontakte findet man am ehesten auf direktem Weg. Im Berufsleben zählt die Persönlichkeit.
Oktober 2014