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Human Sociality in the Age of Covid-19 (HumSoC19)

Das Forschungsprojekt HumSoC19 wurde im März 2020 am Französischen Seminar der Universität Basel lanciert und widmet sich der Erforschung von sozialer Interaktion im Kontext der Covid-19-Pandemie.

Die aktuelle vom neuen Coronavirus hervorgerufene Krise hat weite Auswirkungen – nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die menschliche Sozialität. Zwischenmenschliche Beziehungen verändern sich im Versuch, die Ausbreitung einzudämmen, aber auch aufgrund von Angst und Unsicherheit. Solche Veränderungen sind an sich nichts Ungewöhnliches: Gesellschaftliches Verhalten im öffentlichen Raum, in privaten wie institutionellen Kontexten sind einem laufenden Wandel unterzogen, wobei sich gewisse Verhaltensformen graduell und über lange Zeit hinweg langsam festsetzen. In einer Krisensituation wie der Covid-19-Pandemie vollzieht sich dieser Wandel allerdings bedeutend schneller und wird in der Interaktion selbst fassbar. Nicht zuletzt wird damit auch ersichtlich, dass sich die menschliche Sozialität nicht linear verändert, d.h. nicht alle Menschen nehmen gleich schnell, gleich tiefgreifend eine «neue» Verhaltensform an.

Wir möchten wissen, wie sich soziale, zwischenmenschliche, formelle wie auch intime Beziehungen zwischen Personen, die für ihre tägliche Arbeit und ihr Alltagsleben zusammenfinden, verändern und allenfalls neue Interaktionsformen sedimentieren. (Alternative) Formen von Begrüssungen; die situierte Implementierung und Relevanzmarkierung normativer Präventionsmassnahmen; die interaktive, körperliche, räumliche, und materielle Organisation von „Social Distancing“ (– ein nicht unproblematisches vernakuläres Konzept, das sich zwar rasend schnell im globalen Sprachgebrauch integriert hat, aber eigentlich physisch distanzierte Interaktionsformen beschreibt); die (Meta-)Thematisierung und Aushandlung des Maskentragens, etc. exemplifizieren einige neue Forschungsgegenstände, derer sich das Projekt annimmt.

Das Projekt greift diese Vielzahl an Themen auf originelle Weise auf: Die präzisen Interaktionsanalysen basieren auf den empirischen Grundlagen der Ethnomethodologie und multimodalen Konversationsanalyse und verwenden naturalistische Videoaufnahmen von Interaktionen in öffentlichen und institutionellen Gebäuden wie auch an öffentlichen Orten im Freien.1 Es stützt sich dabei auf ein einzigartiges Datenkorpus, das mit mehr als 100 Stunden Videomaterial (Stand Januar 2021) ein Novum im Forschungsgebiet darstellt. Für die Analysen werden verkörperte und sprachliche Kommunikationspraktiken detailliert transkribiert und relevante Aspekte annotiert.

Das untenstehende Transkript ist ein Beispiel dafür, wie eine alltägliche Begrüssungsform – das Umarmen bekannter Personen – plötzlich völlig neu verhandelt werden muss. Wir sehen, wie die Interaktionsteilnehmer*innen nicht nur vor die interaktionale Aufgabe gestellt werden, zu zeigen, dass sie sich gegenseitig erkennen, und die Begrüssung zu koordinieren; vielmehr muss auch von Moment zu Moment neu verhandelt werden, ob es beide Teilnehmende als relevant erachten, sich körperlich zu begrüssen. Dies passiert einerseits durch die ständige Beobachtung der Projizierbarkeit (Initiierungen, Unterbrüche und Weiterverfolgungen) der linguistischen und verkörperten Trajektorien der Interaktionspartner; andererseits passiert dieses Verhandeln dadurch, dass sich die Interaktionsteilnehmenden ständig an ebendiese Trajektorien anpassen.

Wir haben es im Grunde genommen mit einem Problem der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung zu tun, zumal deren ursprüngliche, problemlose Organisation plötzlich in Frage gestellt wird. Dies wiederum macht alternative Begrüssungs-"Formate" relevant und ruft ein Dilemma hinsichtlich der Wahl zwischen mehreren Optionen hervor.

1 Alle Teilnehmer haben ihre Einverständnis für die Aufnahme und die Nutzung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken zugesichert.

Zur Website des Projektes

Das «HumSoC19»-Team:
Prof. Dr. Lorenza Mondada
Dr. Hanna Svensson
Dr. des. Burak Tekin
Julia Bänninger, MA
Sofian Adam Bouaouina, MA
Guillaume Gauthier, MA
Philipp Hänggi, MA
Mizuki Koda, MA
Ye Ji Lee, MA

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